Warum ist Business Software schwerer zu bedienen als ein Handy-Game oder eine Social-Media-App? Und muss das so sein? Vielleicht liegt es ja daran, dass schon die Entwicklung viel zu kompliziert angegangen wird. Dabei geht es doch viel einfacher. Andrea Wörrlein, Geschäftsführerin von VNC in Berlin und Verwaltungsrätin der VNC AG in Zug beschreibt die Details.

Ein Usability Lab stellt man sich als klinisch reine, streng abgeschirmte Laborsituation vor, in der sorgfältig ausgesuchte Testpersonen Aufgaben lösen, die von ausgewiesenen Experten nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelt wurden und deren Ergebnisse ausschließlich nach ebenso elaborierten Parametern ausführlich analysiert werden. Klingt schwerfällig und langwierig – und ist es auch.

Obwohl seit Jahrzehnten Funktionsstrukturen, Bedienlogiken und Benutzeroberflächen von Business Software nach diesen Schemata entwickelt werden, muss nach wie vor viel Zeit und Geld in die Schulung von Mitarbeitern investiert werden, damit sie zumindest einen Teil der „Usability-optimierten“ Programme einigermaßen beherrschen und bedienen können.

Bei Licht betrachtet ist dieses Labor-Prinzip eine teure und ineffiziente Sackgasse, vor allem dann, wenn es an anderer Stelle offensichtlich viel besser und einfacher funktioniert.

Die ganze Welt ist ein Labor
Der Erfolg von Social Media und Gaming-Apps beruht nicht zuletzt darauf, dass sie quasi idiotensicher zu bedienen sind. Kein Nutzer von Twitter, Facebook, Minecraft oder Fortnite braucht eine Einweisung. Eventuelle Schwachstellen können auf Basis des permanent einlaufenden Echtzeit-Feedbacks analysiert und nachjustiert werden, ohne auf die nächste Release-Version warten zu müssen.

Was liegt also näher, als dieses weltweite, täglich milliardenfach genutzte Praxislabor auch für die Optimierung des Look & Feel von Business-Software zu nutzen?

Die wegweisenden Stichworte dafür sind Mobile First und Gamification. Das Aussehen und die Konzentration auf das Wesentliche spielen also eine wichtige Rolle. Die Konfrontation der Nutzer mit verschachtelten Menüs, kryptischen Begriffen und überbordender Funktionsflut ist nicht mehr akzeptabel. Keep it simple, und das auf allen Frontends, sei es ein Android-Handy, ein Apple-Laptop oder ein Windows-Rechner.

Gleichzeitig ist Social Media auch die Blaupause für die Bedeutung der Community: Interaktivität und Knowledge Sharing gehören daher unbedingt auch in den Funktionsumfang für Business Software. Aus Sicht der Mitarbeiter ist es eine willkommene Parallele zu ihren privaten Aktivitäten, aus der Perspektive von Unternehmen bieten sie neben höherer Mitarbeiterzufriedenheit zudem die Basis zur Steigerung der informationellen Wertschöpfung: aus Daten werden Informationen – aus Informationen wird Wissen – aus Wissen wird Innovation.

Diese Vorbilder liefern zudem Hinweise für Optimierungspotenziale. Messenger, Spiele und Social-Media-Apps sind in der Regel Solitäre, die keine Verbindung untereinander haben. Schnittstellen, Datenaustausch, Datenintegration, Interoperabilität? Fehlanzeige! Hier kann und muss Business-Software einen wichtigen Schritt nach vorne machen, genauso wie beim alles überstrahlenden Thema Sicherheit und digitale Souveränität, für das Social Media bekanntlich alles andere als ein Vorbild ist.

Ohne Intuition keine Innovation
Über allem schwebt die Intuition als kreative Kraft. Sie weckt die initiale Idee für die Gestaltung der Nutzerschnittstelle, die dann in der geschilderten Nutzer- und Feedback-Situation sehr schnell glattpoliert und praxistauglich wird. Trial and error gehört also dazu und darf es auch, weil Irrwege mittlerweile sehr schnell ausgesiebt und gesperrt werden können. Wer erinnert sich an Windows Vista?

Da hat es sehr viel länger gedauert, weil die Kombination aus Sturheit und Marktmacht noch viel größere Möglichkeiten hatte, ungeliebte Konzepte durchzusetzen. Das ist vorbei. Die Macht haben jetzt die Nutzer. Man mag das bedauern – oder als Chance begreifen, Business Software aus dem Stigma der drögen Funktionswüstenei zu befreien. Wir haben da so eine Ahnung, welche dieser beiden Alternativen sich als sinnvoller herausstellen wird.

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