Große Unternehmen, die die mit der Verarbeitung von Millionen von Papier- und PDF-Rechnungen verbundenen Kosten senken wollen, versuchen seit Jahren, einen Wandel herbeizuführen. Die Pandemie hat sie in ihrer Entschlossenheit bestärkt. So berichtet McKinsey, dass sich die Digitalisierung der Interaktionen in der Lieferkette und der internen Abläufe in 2020 um drei bis vier Jahre beschleunigt hat.

Dennoch ist es alles andere als selbstverständlich, dass die Lieferanten den Wandel unterstützen und annehmen. Die Boston Consulting Group behauptet, dass bis zu 70 % der Digitalisierungsprojekte ihre Ziele nicht erreichen. Grund dafür ist oft die geringe Akzeptanz bei den externen Geschäftspartnern.

„Während Einkäufer die offensichtlichen und überzeugenden Vorteile der Digitalisierung in der Transparenz und Effizienz sehen, denken Lieferanten an Kosten, Ärger und ein weiteres Portal, mit dem sie sich herumschlagen müssen, nur damit sie die ihnen zustehenden Zahlungen erhalten,“ so Christophe Lemaitre, Teamleiter, Onboarding-Strategie, Tradeshift.

„Kein Wunder also, dass viele Lieferanten einfach so weitermachen wie bisher. Hier sind die Unternehmen in der Pflicht, den Lieferanten eine Plattform mit Nutzenversprechen auch für sie, zu bieten“.

Vor der Lieferantenanbindung an ein neues digitales System sollten Unternehmen die drei folgenden Punkte beachten:

  1. Mit klaren Nutzenversprechen an die Lieferanten herantreten
    Wenn Einkäufer eine Digitalisierungslösung wie die elektronische Rechnungsstellung einführen, denken sie vielleicht, dass sie das Leben für alle einfacher machen. In den meisten Fällen jedoch betrachten die Lieferanten dies als zusätzliche Arbeit, von der jemand anderes profitiert.

    Von anderen Branchen lässt sich gut lernen: So haben Finanzinstitute Milliarden eingespart, indem sie die Verbraucher dazu brachten, ihre digitalen Lösungen zu nutzen. Sie taten dies, indem sie der Zielgruppe ein klares Nutzenversprechen unterbreiteten.

    Die Digitalisierung würde den Kunden einen Echtzeit-Überblick über ihre Finanzen verschaffen, ihnen helfen, Probleme schneller zu lösen, und ihnen auf Knopfdruck eine Reihe zusätzlicher Dienstleistungen eröffnen.

    Eine wichtige Lehre daraus ist: Wenn man Verhaltensweisen beeinflussen will, sind Zuckerbrot und Peitsche weitaus wirksamer als Peitsche. Projekte werden eher erfolgreich sein, wenn Einkäufer mit einem klaren Nutzenversprechen an die Lieferanten herantreten.

    Das kann eine größere Transparenz darüber sein, wo sich eine Rechnung im Genehmigungszyklus befindet, eine schnellere Problemlösung oder eine frühzeitige Zahlungsoption für Lieferanten, die sich anmelden.

  1. Personalisierte Lieferantenkommunikation
    Bevor Unternehmen mit dem Einführungsprozess beginnen, sollten sie sich die Zeit nehmen, mit ihrem Technologiepartner darüber zu sprechen, wie die Lieferanten-Kommunikation aussieht. Wenn die erste E-Mail, die Lieferanten erhalten, nichts weiter als eine allgemeine Liste von Anweisungen enthält, brauchen Unternehmen sich nicht wundern, wenn sie eine enttäuschende Antwort erhalten.

    Einer der wichtigsten Faktoren ist die Kommunikation mit den Lieferanten zu personalisieren. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Lieferanten eine Reihe von Informationen und Daten aus dem System erhalten, wie den Status aktueller Rechnungen, Zahlungsfristen und den Gesamtbetrag der ausstehenden Rechnungen.

    Entscheidend ist hier, zu verstehen, worauf es dem Lieferanten ankommt und die Kommunikation danach auszurichten. Laut Ernie Martin, dem Gründer von Receivables Savvy, sind drei Dinge für Lieferanten am wichtigsten:
    • die Einfachheit, mit der sie ein Dokument senden können,
    • die Möglichkeit, zu verstehen, wo sich das Dokument im Prozess befindet,
    • und - am wichtigsten - schnelle Zahlungen.

    Bevor Unternehmen eine Mitteilung zum Onboarding an ein neues digitales System an ihre Lieferanten senden, sollten sie sicherstellen, dass diese Punkte im Vordergrund stehen.

  1. Lieferanten Stück für Stück an Bord holen und alternative Methoden miteinbeziehen
    Es empfiehlt sich den Lieferantenstamm und damit das Rechnungsvolumen nach zwei Faktoren aufzuteilen: Nach der Höhe der Ausgaben und nach der Einfachheit der elektronischen Abwicklung. Einige Lieferanten gehören automatisch zu den wichtigsten Handelspartnern und sind technisch eher in der Lage, mit digitalen Rechnungen zu arbeiten.

    Unternehmen sollten diesen Lieferanten bei der papierlosen elektronischen Rechnungsstellung den Vorrang geben und den anderen Lieferanten andere, alternative Methoden ermöglichen, die automatisiert ablaufen. Einige Technologieanbieter wandeln beispielsweise PDF-Rechnungen von Lieferanten in digitale Rechnungen um. So können Unternehmen ihre Digitalisierung voranbringen und der Lieferant hat mehr Zeit für die Umstellung.

    „Wichtig ist auch, den Zeitpunkt und den Inhalt der Kommunikation anzupassen. So stellen Unternehmen sicher, dass sie den richtigen Lieferanten zum richtigen Zeitpunkt einbeziehen. Beispielsweise indem sie nur aktive Lieferanten ansprechen und ihnen nur dann den Onboarding-Prozess vorschlagen, wenn sie einen klaren und quantifizierbaren Nutzen nachweisen können,“ erläutert Lemaitre weiter.

Unternehmen als aktive Partner
Unabhängig davon, wie einfach der Onboarding-Prozess für Lieferanten ist, wird es immer mehrere Schritte, Anforderungen und Dokumentationen geben, die ausgefüllt werden müssen.

Die Bestimmung einer einzigen Person, idealerweise jemand mit einer Mischung aus technischen und verfahrenstechnischen Kenntnissen, die die Aufgaben und den Fortschritt des Onboarding-Prozesses verwaltet, trägt dazu bei, Verantwortlichkeit zu schaffen und den Prozess zu straffen.

Unternehmen sollten sicherstellen, dass die operativen Teams den Umfang und die Ziele des Projekts von Anfang an verstehen. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten, sowohl intern als auch mit Partnerunternehmen, über die Vorteile sowie den Nutzen der Plattform informiert sind.

Der ausgewählte Technologiepartner sollte einen großen Teil der Verantwortung für die Einbindung und Schulung der Lieferanten übernehmen. Eine funktionsübergreifende Abstimmung mit der IT-Abteilung, der Finanzabteilung, der Beschaffungsabteilung und sogar mit den Wirtschaftsvertretern des Unternehmens stellt sicher, dass jeder weiß, welche Botschaft zu welchem Zeitpunkt vermittelt werden muss und wie mit Einwänden und Widerständen umzugehen ist.

Eine neue Art von Beziehung
Vor allem ist es wichtig, dass alle Beteiligten verstehen, dass es bei diesen Projekten nicht darum geht, die gleichen alten Aufgaben "elektronisch" zu erledigen. Sicherlich liegt ein Vorteil der Digitalisierung in der Prozesseffizienz und -automatisierung, aber der wahre Wert dieser Projekte geht viel tiefer.

Die Digitalisierung ist der Schlüssel zu einer reichhaltigeren, kooperativeren und letztlich menschlicheren Beziehung zwischen großen Unternehmen und ihren Lieferanten. Wie jede gute Beziehung beginnt sie damit, dass beide Seiten das Gefühl haben, dass der Nutzen, den sie daraus ziehen, den Aufwand wert ist, den sie dafür betreiben.

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