Die Zahl der Angreifer, Angriffe und Opfer, die mit Romance Scams in Zusammenhang stehen, wächst und wächst seit Jahren – weltweit. Die Strategien und Taktiken werden immer ausgeklügelter – die Kriminellen immer erfolgreicher. Eine Unterart der Romance Scams, die in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat: Pig Butchering Scams. Hierbei werden die Opfer dazu gebracht, unseriöse Finanzgeschäfte zu tätigen.
Von Dr. Martin J. Krämer, Security Awareness Advocate bei KnowBe4.
Laut einer kürzlich erschienenen Studie des US-amerikanischen Better Business Bureau (BBB) hat das durchschnittliche Schadensvolumen dieser Unterart der Romance Scams mittlerweile eine bemerkenswerte Größenordnung erreicht. Im Schnitt entsteht Opfern ein Schaden in Höhe von rund 5.400 Euro. Noch vor drei Jahren, 2021, lag der Betrag erst bei rund 900 Euro. Ein erschreckender Anstieg um ganze 600 Prozent!
Ein Grund: Die Scammer gehen bei ihren Angriffen immer planmäßiger, zielstrebiger – langsamer – vor. Ihren Opfern soll das sich aufbauende persönliche Verhältnis als möglichst natürlich, die Erwähnung von ‚lukrativen‘ Möglichkeiten zur Geldanlage als möglichst zufällig erscheinen.
In aller Regel erfolgen Pig Butchering Scams hierzu in vier Phasen:
1. Vertrauen gewinnen: Zunächst geht es den Angreifern darum, beim Opfer ein romantisches Interesse aufzubauen. Private Themen bestimmen Chats, Telefonate und Treffen.
2. Vorstellung einer ‚attraktiven‘ Geldanlage: Sobald beim Opfer ausreichend Vertrauen aufgebaut ist, berichtet der Angreifer ihm oder ihr ‚beiläufig‘ von einer Investitionsmöglichkeit, die dann in weiteren Gesprächen wieder und wieder zur Sprache gebracht wird. Alle Berichte über diese Geldanlage haben dabei für gewöhnlich eines gemeinsam: eine marktunüblich hohe Rendite.
3. ‚Übernahme‘ des Geldtransfers: Nachdem sie ihr Opfer zur Investition überredet haben, bieten die Betrüger ihren Opfern an, die Investition für sie abzuschließen. Hierzu nutzen sie häufig digitale Plattformen für Zahlungen oder Kryptowährungen, denn: ihren Opfern und Strafverfolgungsbehörden können sie die Rückverfolgung der Transaktionen so wesentlich erschweren.
4. Abtauchen, Untertauchen, Auftauchen: Sobald der vom Betrüger angepeilte Betrag eingenommen wurde oder die Gefahr besteht, dass die Opfer den Betrug entdecken, tauchen die Scammer ab. Sie löschen ihre alte Online-Identität, erstellen sich eine neue und beginnen, ihr nächstes Opfer für einen neuen Anlagebetrug vorzubereiten.
Besonders perfide: mittlerweile sind auch erste Pig Butchering-Fälle bekannt geworden, in denen Betrüger sich Zugang zu den Social Media-Konten der Freunde ihrer Opfer verschaffen und diese – von ihnen unbemerkt – kompromittieren.
Getarnt mit deren Identität sprechen sie dann ihre Opfer an, berichten von lukrativen Geldanlagen, bieten ‚aus Freundschaft‘ die Möglichkeit einer Investition an. Dass es sich dabei um einen Anlagebetrug handelt, erfahren ihre Opfer dann erst, wenn sie ihre nichtsahnenden Freunde darauf ansprechen. Meist ist es dann aber bereits zu spät.
Was hiergegen hilft? Mehr Aufklärungsarbeit, mehr Trainings zur Anhebung des Sicherheitsbewusstseins und mehr realistische Phishing-Tests – egal ob nun privat oder über den Arbeitsplatz. Nur so wird es gelingen, sich ausreichend auf die immer komplexere Scamming-Risikolage vorzubereiten.