Sehr viele haben in der Pandemie die Vor- und Nachteile des Arbeitens von zu Hause aus kennengelernt. Doch was kommt nach Corona? Ganz sicher bleibt nichts, wie es war. In folgenden Gastbeitrag schreibt Dr. Christian Stredicke, CEO von Vodia Networks, über die Zukunft der durch Corona beschleunigten Form der virtuellen Zusammenarbeit.

Der Branchenverband bitkom ermittelte vor einigen Monaten, dass Berufstätige im coronabedingten Homeoffice überwiegend positive Erfahrungen machen und auch nach der Pandemie flexibel arbeiten möchten. Wohlgemerkt: „flexibel arbeiten“! Das bedeutet nicht „ausschließlich Homeoffice“.

Gerade den „digital natives“ der Generationen Y und Z ist Flexibilität enorm wichtig, können sie so doch zum Beispiel deutlich einfacher eine Familie gründen und mehr Zeit in einem bezahlbaren, auch weiter entfernten Zuhause mit ihr verbringen. Allein deswegen sollten Kommunen hier – Stichwort „War for talents“ – entsprechende Angebote machen.

Der Wunsch, von überall aus arbeiten zu können, ist nicht neu. Schon lange gibt es Mitmenschen, die ihren Job von Orten aus erledigen, in denen häufiger die Sonne scheint, die geringere Steuersätzen anpreisen oder die einfach mehr Ruhe versprechen. Im März letzten Jahres wurde klar, dass sich das Büro der Zukunft verlagern würde. Nur leider nicht in irgendwelche Traumregionen, sondern ins eigene Zuhause.

Homeoffice statt Hotelstrand – schade eigentlich! Heute wissen wir: Der pandemiebedingt angestoßene Umbau unserer Arbeitswelt ist unumkehrbar – und er geht noch viel weiter: „Work from anywhere!“ lautet die Devise. Ob am gewohnten Arbeitsplatz im Unternehmen, im Homeoffice, in Metropolen oder Ferienwohnungen im Grünen: Büroarbeiten können von nahezu überall aus erledigt werden – vorausgesetzt, die technischen Voraussetzungen stimmen.

Die erste Welle
Der plötzliche Rückzug ins Private war anfangs nicht nur für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Umstellung. Er war auch eine große Herausforderung für all jene, die die notwendigen Bedingungen dafür schaffen mussten. So blieb den Systemadministratoren der Welt auf die Schnelle nichts anderes übrig, als auf das zurückzugreifen, was gerade verfügbar war, beispielsweise der private Laptop, mit dem dann am Küchentisch gearbeitet wurde.

Vieles funktionierte auch überraschend gut: E-Mails lassen sich leicht von zu Hause aus verschicken. Auch der Zugriff auf die Fileserver in der Firma über VPN ist kein Problem, da seit vielen Jahren Standard. Beim Thema Kommunikation standen allerdings viele Unternehmen praktisch nackt da. Was die interne Kommunikation anbelangte, führte an Videokonferenzen kaum ein Weg vorbei.

Plötzlich war es – für deutsche Verhältnisse vorher unvorstellbar – völlig normal, dass die lieben Kollegen die Urlaubsfotos im Regal hinter der Chefin klar und deutlich sehen konnten. Für die externe Kommunikation blieb oft nur die Rufumleitung der Telefonanlage auf die privaten Nummern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, oder auf die Mailbox – immer in der Hoffnung, dass die Nachricht auch irgendjemand abhört. Schwere Zeiten erfordern kreative Lösungen – und immer auch ein wenig Zweckoptimismus.

Die zweite Welle
Nach nunmehr fast einem Jahr Pandemieerfahrung ist in Deutschland sogar gesetzlich vorgegeben, dass, wo immer das möglich ist, Unternehmen „Work from anywhere“ anbieten müssen. Und in ihrem eigenen Interesse sollten die Arbeitsbedingungen im Homeoffice denen im Büro entsprechen.

Selbst wenn die zweite Welle der Pandemie vorbei sein wird, geht das Arbeiten von zu Hause aus weiter. Denn nicht wenige – Arbeitnehmer/-innen wie Arbeitgeber/-innen gleichermaßen – haben die Vorteile des mobilen Arbeitens erkannt. Angefangen bei der Einsparung von Fahrtzeiten ins Büro oder zu Kundenmeetings, über die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie – Stichwort: Work-Life-Balance – bis hin zu einem geringeren Flächenbedarf für die Unternehmen.

Das Homeoffice ist jedoch keineswegs das Ende der Entwicklung, sondern vielmehr erst der Anfang. Denn wenn es im privaten zu Hause möglich ist, seinen Job erfolgreich zu erledigen, dann funktioniert das prinzipiell auch von überall.

Selbst wenn der Arbeitsplatz im Hotel in Luxor vielleicht nicht ganz so ergonomisch ist wie zu Hause in Wanne-Eickel: Warum soll man nicht auch von dort aus genauso mit Kolleg/-innen und Kund/-innen telefonieren können wie im Büro? Man muss ja nicht immer gleich erwähnen und zeigen, wo man sich aufhält.

Die Verbindung sollte also nicht das Problem sein. Denn Hotels hatten schon vor der Pandemie ein Problem mit der Bewertung, wenn das WLAN Probleme bereitete. Da hilft dann auch kein toller Pool mehr, wenn die VoIP-Verbindung nicht stimmt. Gleiches gilt natürlich auch für Flughäfen, den Zug und andere Orte, an denen man sich so aufhält.

Eigentlich war allen ITK-Profis klar, dass die Telefonanlage irgendwann aus der Cloud kommen würde. Allerdings wird das Thema noch immer gerne soweit wie möglich geschoben – verständlich, vor allem, wenn die Telefonanlage in Eigenregie im LAN betrieben wird oder noch eine gute alte ISDN-Anlage im Serverraum steht! Jetzt allerdings steigt der Druck auf die Systemadministratoren, CIOs und Geschäftsführer, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter/-innen von überall aus arbeiten können.

Ein großer Vorteil ist, dass heutzutage praktisch jeder ein Gerät hat, das sich als VoIP-Telefon einsetzen lässt. Apple hatte mit iOS 13 bereits vor Jahren dafür gesorgt, dass mehrere Apps geordnet auf Mikrofon und Lautsprecher zugreifen können. Auch wenn gerade ein Gespräch in einer anderen App stattfindet, kann die Telefonanlage freundlich anklopfen und dann entschieden werden, ob dieses Gespräch angenommen und das andere entweder gehalten oder beendet werden soll.

Und auch bei Android hat sich einiges getan, damit die Benutzer/-innen ihr Smartphone sowohl privat als auch für die Firma nutzen können. Eine große Auswahl an hervorragenden Bluetooth-Headsets macht es zum Beispiel sehr angenehm, das Handy auch für Firmengespräche zu verwenden. Und über eine entsprechende App lassen sich Gespräche halten und vermitteln – manchmal sogar einfacher, als über das Tischtelefon.

Der so liebgewonnene Telefonhörer fühlt sich auf einmal seltsam an. Das Problem bei den Mobiltelefonen ist, dass sie von überall aus funktionieren müssen. Während man bei VoIP-Telefonen noch Vermutungen anstellen kann, in welchem Netz sich die Geräte befinden, sind solche Annahmen bei Mobiltelefonen und auch beim PC sehr viel schwieriger.

Es ist auch nicht möglich, Annahmen darüber zu machen, von welcher IP-Adresse ein Handy kommt – kann doch der Mobilfunkbetreiber diese jederzeit ändern. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Telefonanlage muss auf einer öffentlichen Adresse betrieben werden, um darauf von überall her zugreifen zu können. Das hat zahlreiche Konsequenzen.

Zum einen muss die Telefonanlage mit Geräten kommunizieren können, die hinter einer Firewall sitzen und keine Ahnung haben, welche Ports diese Firewall bei einem Gespräch für die Gesprächsdaten zuweisen wird. Zum anderen hat man sehr schnell Roboter am Hals, die alle möglichen Tricks ausprobieren, um Gespräche auf Kosten des Betreibers in exotischen Ländern zu starten.

Aus diesem Grund ist für einen stabilen Betrieb ein „Session Border Controller“ (SBC) erforderlich. Er sorgt dafür, dass eine funktionierende Verbindung hergestellt wird und dass Roboter automatisch geblockt werden. Nicht zu vergessen sind die Berichte, die notwendig sind, um ein Problem frühzeitig zu erkennen und abzustellen.

Akzeptanzprobleme
Neben Netzwerkproblemen gibt es auch eher menschliche Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Ohne „Work Life Balance“ gibt es langfristig kein „Work from Home / Work from anywhere“. Eingehende Gespräche stören das Privatleben viel mehr als eingehende E-Mails. Die Akzeptanz der neuen Telefonanlage aus der Cloud sinkt rapide, wenn beispielsweise internationale Kunden außerhalb der Arbeitszeiten um 5 Uhr anrufen – in der Früh, wohlgemerkt.

Der Ruhe-Knopf hilft hier nur bedingt. Denn wenn abends vergessen wird, die Funktion einzuschalten, klingelt es morgens eben. Und wenn es der oder die Mitarbeiter/-in morgens versäumt, die „Ruhe“ wieder auszuschalten, wird es ein sehr ruhiger Tag.

Beim PC ist es üblich, den Rechner ein- und auszuschalten – und damit ist das Problem dort behoben. Auch die Verwendung des Webbrowsers ist unproblematisch für den Einsatz im Homeoffice. Bei den Apps fürs Handy ist es allerdings nicht so einfach. Zwar bieten die meisten Handys einen Ruhemodus an. Allerdings kommen dann auch Omas Anrufe nach Feierabend nicht mehr an.

In den meisten Fällen ist es daher sinnvoll, die Zeiten in der Telefonanlage vorab so einzustellen, zu denen die Apps angerufen werden dürfen. Diese Zeiten müssen natürlich auch die Feiertage beinhalten, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies wirklich akzeptieren. Das funktioniert übrigens auch gut für VoIP-Telefone, die zu Hause betrieben werden.

Wo sind die Daten?
Eine Frage, der in der ersten Welle viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde, ist die nach dem Datenschutz und dem Land, in dem die Daten gespeichert werden. Bei Telefonanlagen geht es dabei vor allem um die Verbindungsdaten, das Adressbuch, Sprach- und Textnachrichten sowie aufgezeichnete Gespräche. Auch wenn dieses Thema heute für viele noch keine Top-Priorität zu besitzen scheint, wird es bereits in naher Zukunft ganz oben auf der Agenda stehen.

Aus Sicht der Unternehmen ist es die sicher beste Lösung, die Telefonanlage nur auf Geräten zu betreiben, die ihnen gehören. Aber auch wenn die Beschäftigten sich von privaten Geräten aus mit der Telefonanlage verbinden, wird das Risiko reduziert, wichtige Daten bei einem eventuellen Ausscheiden von Beschäftigten zu verlieren. Das ist vor allem dann bedeutsam, wenn der oder die Ex-Mitarbeiter/-in zur Konkurrenz wechselt.

Am besten ist es, wenn die App keine Daten, wie zum Beispiel das Adressbuch lokal auf dem Gerät speichert. Bei iOS ist es nicht zu vermeiden, dass die Gesprächshistorie auch nach dem Ausscheiden eines Mitarbeiters auf dem Gerät verbleibt. Am sichersten ist deshalb die Verwendung eines Webbrowsers auf privaten Geräten, da es in diesem Fall schwer wird, irgendwelche historischen Daten zu rekonstruieren.

Ein wenig Optimismus
So schlimm die Pandemie für die Menschen in der Welt war und ist: Für die elektronische Kommunikation bedeutet sie einen Innovationsschub, von dem wir alle noch lange profitieren werden. Vor allem diejenigen, die weiterhin von zu Hause aus arbeiten wollen, werden zu Recht eine Arbeitsumgebung einfordern, die der im Büro in nichts nachsteht. Investitionen in die VoIP-Telefonanlage, die man von überall aus von Tischtelefonen, PCs und Handys nutzen kann, werden sich über die nächsten Monate und Jahre auszahlen.

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